Skoliose- OP: Wer hats bereut?

  • Auch wenn hier das Intensivkind eher zweitrangig ist:


    Der Einfachheit halber mein Beitrag aus Rehakids:



    Hallo,


    ich war heute mit Benedict zur Kontrolle in der Uni und bin sehr unsanft auf dem Boden der Tatsachen gelandet.
    Die Skoliose hat sich um bis zu 20 Grad auf über 70 Grad verschlechtert, und eine Op wäre sehr empfehlenswert von Sicht des Oberarztes.
    Allerdings werden wir jetzt erst noch einmal ein anderes Korsett von einem anderen Sanitätshaus ausprobieren.
    Wenn dies zu einem Stillstand führen würde, wären alle mehr als zufrieden.


    Nichts desto trotz mach ich mir Gedanken, wie ich eine Op mit Aufenthalt organisieren könnte, da die zu empfehlende Klinik über 3 Stunden Autofahrt entfernt ist.


    Von der Arbeit frei stellen geht finanziell nicht, vor allem wenn Komplikationen auftreten, die mehr als 7- 10 Tage dauern.
    Hinzu kommt, daß Benedict ein recht mobiles Intensivkind ist, der aber durch seine Erfahrungen keine Minute allein in der Klinik bleibt, u. vor allem jederzeit überwacht werden muß, und dies nicht nur durch den Pulsoxi....


    Außerdem dürfte er ca. 6 Monate nach der Op kein Schlagzeug spielen, und genau dies ist sein ein und alles.
    Da würde man viel kaputt machen, wenn man ihm diese Möglichkeit nimmt.
    Seine Beweglichkeit würde insgesamt unter der Op leiden....
    Und niemand weiß, ob er Schmerzen zurückbleiben.


    Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll.
    Denn Lebensqualität find ich so wichtig, wichtiger als manches Gebrechen "heilen" zu wollen....


    Ist jetzt alles ein bißchen durcheinander.
    Aber ich möchte gern wissen, ob es hier Eltern gibt, die diese Op haben machen lassen und dies bereut haben.


    Anne

    Benedict 6/99, Osteopathia striata, Tracheostoma, Epilepsie, neurog. Blasenentleerungsstörung, Z. n. Analatresie, Syndaktelie beider Hände, Fibulaaplasie beider Beine, Gaumenspalt, re. blind, u. e. m.

  • Hey Anne!


    Jessy hat ja kein TS und ist auch sonst sicher nicht mit Benedict zu vergleichen, aber wir standen letztes Jahr vor der gleichen Frage. Ihre Skoliose liegt bei 62° und gilt als rasch fortschreitend, wobei die Verdrehung da krasser ist.


    Das Narkose- und OP-Risiko wurde von allen beratenden Ärzten in Vogtareuth für "zu hoch" eingestuft.


    Meine Hauptargumente - Jessy ist von der Wirbelsäule und Hüfte (beidseits luxiert) weitestgehend schmerzfrei.
    Eine OP wäre sehr riskant.
    Das Handling würde sich nicht nur für die ersten 6 Monate sondern generell massiv verändern. Kuscheln auf dem Schoß, Tragen, Reisen mit dem Wohnmobil... wären nicht mehr möglich.
    Jessy hat bislang keinerlei organische oder gesundheitliche Einschränkungen (reduziertes Lungenvolumen...) durch die massive Verkrümmung.


    Und last but noch least - OP- und Reha-Zeit würden nicht nur Jessy und mir, sondern vorallem auch unseren Buben (retraumatisierend - Bindungsstörung, große Verlustängste...) zu schaffen machen. Unser Leben würde sich von Grund auf und irreversibel ändern. Wir wollten das nicht!


    Jessy ist schrecklich verbogen und immer wenn es ihr augenscheinlich nicht gut geht und wir die Ursache nicht klar orten können, grüble ich, ob es wohl doch "Knochenschmerzen"/Rückenschmerzen sind und wir uns falsch entschieden haben. Aber bislang bekam ich von unserer Physio, sogar von der Schule, die sonst nicht so auf meiner Welle schwimmen, immer wieder die Bestätigung, dass es Jessy mit dieser OP heute wohl nicht besser ginge und die Unruhe/ die Schmerzen eher vom Tonus oder dem Magen-Darm-Trakt kommen.


    Ich wünsche Euch, dass Ihr am Ende eine gute Entscheidung trefft, mit der Ihr ALLE möglichst schmerzfrei leben könnt!


    Grüßle
    Ursula, die die Lebensqualität auch weit über das "Korrigieren" stellt

    Kinderkrankenschwester Schwerpunkt Heimbeatmung und Palliative Care; Mama von 3 Pflegekindern (*2001, 2002 schwerstmehrfachbehindert, 2003) und 1 Hund

  • Hallo Anne,


    auch Korinna lässt sich nicht mit Deinem Benedict vergleichen. Aber ich glaube schon das die Überlegungen alle ähnlich sind.
    Bei Korinna war vor vielen Jahren (mind. 12) auch die Diskussion und wir haben uns bewußt dagegen entschieden. Auch Korinna hat uns signalisiert, dass sie das nicht möchte. Bei ihr wären zwei OPs (einmal von vorne und einmal von hinten?!?) notwendig gewesen. Aber das Risiko dieser großen OPs war uns definitiv zu groß. Und da Korinna nur liegt wäre noch das Problem dazugekommen, dass die Stäbe voraussichtlich zu Druckstellen geführt hätten. Frei Sitzen hätte sie trotzalledem nicht gekonnt. So haben wir uns für das Risiko, welche eine stetig krummer werdende Wirbelsäule so mit sich bringt, entschieden. Und ganz ehrlich bis heute nicht bereut. Ca. zwei, drei Jahre später haben wir dann nochmals in St. Augustin mit dem Orthopäden kurz diskutiert (da war die Wirbelsäule bei einer Krümmung von über 120°) und sind wieder zum Ergebnis gekommen, dass das Risiko viel zu hoch ist.
    So das war unsere Sicht, aber ich kenne auch einen ganz anderen Fall.
    Hier wurde auch die Wirbelsäule versteift und die junge Dame hat bis heute keinerlei Komplikationen davon.
    Sie ist hierdurch nicht mehr oder weniger behindert wie vor der OP, von der steifen Wirbelsäule mal abgesehen.


    Ich weiß es ist eine sehr schwierige Entscheidung, die uns auch viele Diskussionen gekostet hat. Für mich war glaube ich aber erstmals Korinnas sehr unstabiler Allgemeinzustund (zu der Zeit), auch die uns prognosdizierte Lebenserwartung ( :cry: wollten wir die etwa noch verkürzen), ihre Immobilität und das zu erwartende Ergebnis ausschlaggebend.
    Benedict ist ja doch viel beweglicher und agiler, würde das später bei einer stärker werdenden Skoliose verändert. Oder würde die OP in im Endeffekt mehr beeinträchtigen als nutzen? Hoffentlich habe ich Dich jetzt nicht noch mehr verwirrt :oops: .


    Wenn Du Kontakt zu der Mutter von der jungen Dame mit der gut gelungen Wirbelsäulen OP haben möchtest, schreib mir eine PN.


    LG Kornelia

    Korinna (27) Geburtsschaden, Tetraspastik, Tracheostoma, therapieresistentes Anfallsleiden, PEG, Skoliose, Refluxösophagitis, Mikrocephalus

  • [quote="Kornelia"


    Oder würde die OP in im Endeffekt mehr beeinträchtigen als nutzen?


    /quote]


    Genau diese Bedenken habe ich.
    Und habe dies dem Arzt auch gesagt.
    Wenn er mir 100%ig ein Erfolgsversprechen gibt, lasse ich es machen.


    Habe ihm ein Beispiel gesagt:
    Habe schon 3 operative "Gehörverbesserungen" machen lassen, und nach jeder Op war das Hörvermögen schlechter.
    Mittlerweile bin ich auf dem Ohr taub.


    Als Mutter versteht er mich, als Arzt rät er mir was anderes.


    Die Op [i]könnte[i] Vorteile, auch Lebensqualität bringen, aber auch verdammt viele Nachteile.... und Schmerzen.


    Was ich mache, kann verkehrt sein.....


    In solchen Punkten mag ich keine Mutter sein, die (allein) entscheiden muß.


    Danke für Eure Antworten.


    Anne

    Benedict 6/99, Osteopathia striata, Tracheostoma, Epilepsie, neurog. Blasenentleerungsstörung, Z. n. Analatresie, Syndaktelie beider Hände, Fibulaaplasie beider Beine, Gaumenspalt, re. blind, u. e. m.

  • Noch ein kleiner Nachtrag:
    Benedict war ja bei dem Gespräch im Raum, natürlich hat er nicht alles verstanden.
    aber er hat so viel mitbekommen, dass er gestern mehrmals zu mir gesagt hat, das er nicht operiert werden möchte.
    Und ich schaue, das wenn ich mit den Krankenschwestern darüber spreche, er nichts mitbekommt.
    Und dennoch beschäftigt es ihn.


    Allerdings kann er auch nicht die Tragweite überblicken...

    Benedict 6/99, Osteopathia striata, Tracheostoma, Epilepsie, neurog. Blasenentleerungsstörung, Z. n. Analatresie, Syndaktelie beider Hände, Fibulaaplasie beider Beine, Gaumenspalt, re. blind, u. e. m.

  • Hallo Anne,


    alleine entscheiden ist wirklich noch schwerer, daß glaub ich Dir.


    Aber ich glaube Dein Bauchgefühl und auch Benedicts Aussage sind doch ziemlich übereinstimmend, oder?


    Auch Korinna konnte die Tragweite des Ganzen nicht überblicken (sie wurde damals sehr, sehr krank um weiteren Untersuchungen aus dem Weg zu gehen; auf diese Art hat sie uns oft gezeigt, dass sie nicht möchte) und hat uns mit ihren Mitteln Entscheidungshilfe gegeben.


    LG Kornelia

    Korinna (27) Geburtsschaden, Tetraspastik, Tracheostoma, therapieresistentes Anfallsleiden, PEG, Skoliose, Refluxösophagitis, Mikrocephalus

  • Irgendwo würde ich ja gerne sagen: wir lassen das Ganze.


    Aber übergebe ich Benedict nicht verdammt viel Verantwortung, wenn ich in dieser Sache auf ihn höre und mache es mir damit nur leicht???

    Benedict 6/99, Osteopathia striata, Tracheostoma, Epilepsie, neurog. Blasenentleerungsstörung, Z. n. Analatresie, Syndaktelie beider Hände, Fibulaaplasie beider Beine, Gaumenspalt, re. blind, u. e. m.

  • Hallo Anne,


    ne leicht machst Du es Dir nicht, bei den Massen an Gedanken die Du Dir machst. Das was wir hier lesen ist ja nur eine kleine Essenz.


    Ja, natürlich darfst Du das Ganze nicht nur auf Grund von Benedicts Aussage abblasen, aber Du darfst es in Deine Argumente gegen diesen Eingriff mit einbeziehen.


    Aber diese Aussage :

    Zitat von anne

    Irgendwo würde ich ja gerne sagen: wir lassen das Ganze.

    kommt ja nicht von nichts. Natürlich bleibt dann immer der Gedanke es hätte alles besser mit OP sein können.


    Andersherum wirst Du aber auch das Risiko tragen müssen. Sorry, ich weiß es hilft Dir nicht sehr viel weiter.


    Hast Du schonmal die Vor- und Nachteile aufgeschrieben, vlt. hilft das ja.


    Wie hoch ist denn das Risiko, dass die OP mehr schadet wie hilft. Hat sich dazu mal einer geäußert?


    Oh man, dass ganze ist so kompliziert (glaub mir ich kann Dich so gut verstehen).


    Sprich doch mal mit einem Arzt dem Du vertraust.


    LG Kornelia

    Korinna (27) Geburtsschaden, Tetraspastik, Tracheostoma, therapieresistentes Anfallsleiden, PEG, Skoliose, Refluxösophagitis, Mikrocephalus

  • So, seit einer Woche haben wir schon das neue Korsett -echt meinen Respekt an das neue Sanitätshaus!


    Benedict akzeptiert es besser als gedacht, wobei wir schon "Diskussionen" um die Tragezeit haben - das Ziel ist 15 Stunden täglich.
    Wobei uns das kühle Wetter natürlich zu gute kommt, und ich froh bin, daß der Sommer vorbei ist.


    Das Thema Op ist jetzt erstmals vom Tisch, in 5 Wochen ist Röntgenkontrolle, da werden wir dann weitersehen.


    Anne

    Benedict 6/99, Osteopathia striata, Tracheostoma, Epilepsie, neurog. Blasenentleerungsstörung, Z. n. Analatresie, Syndaktelie beider Hände, Fibulaaplasie beider Beine, Gaumenspalt, re. blind, u. e. m.