Hi Leute,
wir sind zurück aus Hamburg und haben neuigkeiten.
Es gab ein sehr langes und ausführliches Gespräch zur aktuellen Situation und den möglichen Perspektiven. Grundlegend waren sich alle Anwesenden einig, dass die "mit-Cosmopor-abkleb-situation" so nicht zum Dauerzustand werden kann. Allein die Gefahr das Fremdkörper in die Trachea gelangen ist schon sehr ernst, dann die schlechte Befeuchtung der Atemwege und die daraus resultierende Infektanfälligkeit sowie die nicht wirlich Alltagstaugliche zuverlässigkeit der Pflaster waren Argumente dagegen alles so zu belassen wie zur Zeit.
Die naheliegendsten Alternativen wären also einen Schritt voraus oder einen Schritt zurück zu machen. Voraus hieße verschließen, zurück also wieder Kanüle rein, FN drauf.
Argumente gegen den Verschluss sind vor allem, dass Linus noch immer in Atemnot gerät (selten auch ohnmächtig wird) wenn er bockt oder Schmerzen hat. Desweiteren hat er große Probleme das zähe Sekret abzuhusten, das sich im Schlaf in seiner Lunge sammelt. Ausserdem hat noch immer niemand herausgefunden weshalb er nicht schlucken kann, bzw. inwiefern er das noch lernt. Leider "vergisst" er das regelmäßig und stopft sich altersgemäß in den Mund was er erreichen kann, bis es dann im Hals stecken bleibt und er erbricht. Gut wäre es also wenn der alternative Atemweg bestehen bliebe um im Notfall sein Leben zu retten.
Argumente gegen die Kanüle sind vor allem, dass der Kindergartenbesuch dadurch gefährdet wäre, wo er doch grad erst eine Woche dabei ist und wir auch gar keinen PD mehr haben der uns unterstützt. Ausserdem ist die Akzeptanz bei Linus die Kanüle liegen zu lassen bei gar null, und wir können ihm auch nicht wirklich verständlich erklären dass er das Teil jetzt wieder tragen muss, er ist ja grad erst 2 Jahre alt. Und auch unsere Akzeptanz wieder mit Absauge und dem Katheterköcher in der Weltgeschichte umherzuziehen ist auf frostiges Niveau gefallen, wo das alles doch eigendlich nicht mehr wirklich nötig ist. Nicht zu vergessen hab ich Angst dass er das Sprechen wieder aufgeben könnte.
Als mich Dr. Grolle fragt was ich mir den Wünschen würde, bzw. mit welcher Erwartung ich nach Hamburg gekommen bin muss ich schlucken und traus mich fast nicht zu formulieren. Ich hatte gehofft, dass er noch irgendeine Alternative hat, aussser der beiden Naheligenden. Ideal fänd ich sowas wie eine Kurzkanüle, ein passenden Stomabutton oder ein auf Kindergröße angepasstes Halteplattensystem mit individuellen Möglichkeiten dort einen Blindstopfen, ein Sprechventil, eine FN, einen Sauerstoffschlauch usw. anzubringen. Ich hatte mich mit dieser Bitte auch bereits an meinen Heilmittelhersteller gewand, war aber auf wenig gegenliebe gestoßen, denn Kinderentwöhnung ist nicht gerade ein großer rentabler Markt.
Und siehe da, das unmöglich passiert, eine Idee schwebt in den Raum. Bei den Erwachsenen experimentiert man grad mit individuellen Stopfen. Hier wird eine kleine Kanüle ins Stoma eingelegt und geblockt. Dann wird Seitwärts neben der Kanüle der Zwischenraum zwischen Luftröhre und Kanüle mit einer Art Knete gefüllt und so ein Abdruck angefertigt. Dieser Abdruck dient dann als Vorlage für ein Stopfen aus Kunststoff, der genau auf die Gegebenheiten des Patienten abgestimmt ist. Der Stopfen wird aus einem Stück mit einem Rand gegeossen, der als Halteplatte dient, die dann mit einem spezeillen Hautkleber aufgeklebt wird. Dieser Kleber wird sonst verwendet, wenn jemand seine Nase oder ein Ohr durch einen Unfall verloren hat und eine Replick aus Plastik an die Stelle angepasst und dann angeklebt wird.
Jetzt ist das mit den kleinen Kindern so ne Sache, die haben nicht so viel Platz in der Luftröhre für diese Technik und lage genug stillsitzen, bis die Knete fest ist wird wohl auch nicht möglich sein. Aber wenn man eine Narkose veruchen würde, und den kleinen trotz Stoma über die Nase intubiert, dann ja dann.... müsste das ja eigedlich möglich sein, oder. Die Frage bleibt im Raum hängen, die Antwort findet sich nicht unter den anwesenden. Aber der Doc hat versprochen sich mal mit ein paar Spezialisten zusammen zu setzen und wenn die mitspielen, könnte aus dieser vagen Idee vielleicht eine neue Alternative werden.
Wir sind jedenfalls mit einem guten Gefühl und einem neuen Termin in der Tasche wieder nach Hause gefahren. Das gute Gefühl vor allem weil eine ganz wesentliche Sache geschen ist: Es wurde uns zugehört unsere Sorgen wurden erstgenommen, und das angestaubte Bücherwissen war weniger Wert als unsere Alltagserfahrung. Kaum zu glauben, aber das motiviert ungemein auch den nächsten Tag und den Übernachsten .... usw weiter zu machen auch wenn die Aussicht auf Besserung nicht größer geworden ist, im Gegenteil, und wir zumindest für die nächsten 3 Wochen wieder mit Kanüle und Absauge und Kathertern und Handschuhen und Sterillium und und und bewaffnet den Alltag erkämpfen.
Wir sind dann also vom 11.07 an eine Woche lang wieder im Lufthafen und hoffen das beste und wünschen uns nix, dann ist die Entäuschung vielleicht nicht zu groß wenns wieder nix wird.
Mit gemischten Gefühlen sehe ich einer ungewissen Zukunft entgegen und wüsche euch trotzdem ein wunderschönes Sommerwochenende und einen schönen Urlaub
lg Sonja